Sei wachsam

In dem Text „Die Taschenbibliothek“ von Jean Paul bedient sich der junge Protagonist Aubin einer Methode, um sich die Inhalte der vielen Bücher zu merken, die er bereits gelesen hat. Er exzerpiert pro Buch dessen Essenz, aus dieser Essenz destilliert er nochmals das Wesentliche, sodass von dem Buch nur mehr Bruchstücke übrig bleiben (vgl. Paul, 1797). Der Text ist über zweihundert Jahre alt, spricht aber eine Vorgehensweise an, die auch im Jahr 2013 aktuell ist. In der Literatur sind kurze Gedichte oder Sprüche eine anerkannte literarische Form. Sie lassen oft mehr offen, als sie sagen, regen zum Nachdenken an und bieten Freiraum für persönliche Interpretation. Speziell das japanische Haiku bedient sich nur weniger Silben. Aber auch im Alltag wird oft mir Kürze gewürzt. In vielen Bereichen unseres täglichen Lebens werden wir mit kurzen, pfiffigen und (grammatisch) verstümmelten Sätzen konfrontiert. Die Absender sind die Politik mit ihren vielversprechenden Wahlplakaten genauso wie die Wirtschaft mit Werbeslogans oder der Medienapparat mit knackigen Headlines.

Wählt! Mich! Jetzt! (Nicht.)

Im aktuellen Wahlkampf für die Landtagswahlen in Salzburg berichten die Salzburger Nachrichten wie die Parteien mit Slogans auf Plakaten und Plakatwänden um die Wählerstimmen buhlen.

Liest man sich durch die dabei erwähnten Slogans, erkennt man die Hinweise auf den aktuellen Salzburger Finanzskandal:

  • Wer den Menschen im Wort ist, läuft nicht davon (SPÖ)
  • Auf Salzburg schauen heißt Weitblick zeigen (ÖVP)
  • Weil das Leben kein Luxus sein darf (FPÖ)
  • Finanz-Chaos: Es gilt die Unfähigkeitsvermutung (Grüne)
  • Mit Salzburg spekuliert man nicht (Team Stronach)
  • Klarmachen zum Ändern (Piraten)
  • Protest jetzt! (KPÖ)

Diese Floskeln sind aber frei von konkreten Verbesserungsvorschlägen oder Lösungen. Phrasendreschen scheint also noch immer en vogue zu sein. Um die Botschaft doch etwas zu konkretisieren werden teilweise die sehr allgemeinen Slogans durch themenbezogene Claims ergänzt (vgl. Holtz-Bacha/Leidenberger 2009, 31).

Absolut Werbung.

Auch im Bereich der Werbung für Unternehmen in der Privatwirtschaft zählen griffige Slogans. Die Anforderung an die Werbebotschaft und somit an den Slogan bei einer Kampagne ist, dass dieser aussagekräftig ist, das Produkt von der Masse abhebt und den Unterschied zur Konkurrenz hervorhebt. Außerdem sollte der Slogan glaubwürdig sein, was aber angesichts der Tatsache, dass ein Drittel der Öffentlichkeit Werbebotschaften als unglaubwürdig einstuft, schwierig ist (vgl. Kotler et al 2011, 852).

Mit wenig Text kommen beispielsweise die Kampagnen des schwedischen Vodka-Produzenten Absolut aus. Dabei wird stark auf das Design des Produktes, der Absolut Vodka Flasche gesetzt, diese in einem Bild ansprechend inszeniert und durch meist zwei- bis dreiwörtigen Untertitel ergänzt, beginnend mit dem Wort Absolut. Für die etablierten und beliebten Kampagnen arbeitet Absolut auch mit Künstlern zusammen, Kunden und Künstler werden aber auch selbst kreativ und erstellen eigene Absolut Anzeigen, wie beispielsweise auf absolutad.com (vgl. Kotler et al 2011, 794ff).

Absolut Anzeige
Abslout Bourgeois. Künstler: Louis Bourgeois. Quelle: media.absolutcompany.com

In den Werbesujets 2013 geht Absolut noch weiter und verzichtet auf den Text bei den Anzeigen, es gibt nur mehr den Text auf der abgebildeten Vodkaflasche. Bei dieser Absolut Vodka Blank Edition hat Absolut mit dem Künstler Dave Kinsey zusammengearbeitet, der die Blank Edition gestaltete.

Absolut Vodka Blank Edition
Absolut Vodka Blank Edition. Von Dave Kinsey. Quelle: media.absolutcompany.com/

Die Kampagne hebt sich über die AIDA-Formel hinweg, denn die Flasche wird als Kunstwerk präsentiert und auf der Anzeige ist keine Aufforderung zur Handlung zu erkennen. Bei einer so etablierten Lifestyle-Marke wie Absolut funktioniert diese Art der Werbung (vgl. Kotler et al 2011, 808). Die Kunden finden’s cool und wissen wohl schon, was mit der Produkt zu tun ist (Stichwort drink responsibly) .

Weniger ist weniger

Headlines, Slogans und Floskeln werden uns täglich präsentiert. Ob wir hinsehen, wie viel wir diese glauben oder hinterfragen, liegt an uns. Der junge Aubin klagt über die negativen Auswirkungen auf sein Gehirn, die das Lesen der vereinzelten Texte bewirkt (vgl. Paul 1797). Aber kurze Nachrichten sind nicht böse. Es kommt auf die Rezipienten an, wie kritisch und sorgsam sie mit diesen kurzen Zurufen umgehen. Der Appell zum Abschluss sollte also in Richtung Bildung gehen: Fördert die Medienkompetenz und lehrt dazu das Wissen, dass kurze Nachrichten (so wie die Schummelzettel der Schüler) nicht unbedingt gelogen sein müssen, aber immer nur die Spitze des Eisbergs in einem unendlichen Meer an Wissen und Unwissen sein können.

Quellen

Holtz-Bacha, Christina/Leidenberger, Jakob: Europawahl 2009. Wahlkampf im Schatten der Bundestagswahl. Oder doch eine europäische Kampagne? (2010). In: Holtz-Bacha, Christina (Hrsg.): Die Massenmedien im Wahlkampf. Das Wahljahr 2009. S. 22-41. Wiesbaden: Springer Fachmedien GmbH

Kotler, Philip/Armstrong, Gary/Wong, Veronica/Saunders, John (2011): Grundlagen des Marketing. 5., aktualisierte Auflage. München: Pearson Deutschland

Paul, Jean (1797): Die Taschenbibliothek. In: Miller, Norbert (Hrsg.): Vermischte Schriften II. München 1978. S. 769 ff. Im Internet eingesehen am 19. April 2013. URL: http://books.google.at/books?id=H0MuIACTlPAC&pg=PA769&lpg=PA769&dq=jean+paul+die+taschenbibliothek

Salzburger Nachrichten. Im Internet eingesehen am 16. April 2013. URL: http://www.salzburg.com/nachrichten/spezial/landtagswahl-salzburg/sn/artikel/plakatwahlkampf-ist-voll-im-gange-54242/